Sind Krypto-Assets für den Vermögensaufbau sinnvoll? Eine Annäherung an Chancen und Risiken

Die Debatte über Sinn oder Unsinn von Krypto-Assets oszilliert oft zwischen den Extremen: das Pendel schwingt zwischen «Bitcoin ist die Lösung für alle Probleme» (Bitcoin-Maximalisten) und «Alles Lug und Trug, plus heisse Luft» (konservative Finanzexperten, Ü60) hin und her und verwirrt interessierte Privatanleger, welche angesichts der widersprüchlichen Informationsflut doch eigentlich Halt und Orientierung suchen.

Glücklicherweise bleiben genug Grautöne zwischen den Extremen, um sich ernsthaft und agnostisch mit der Blockchain-Technologie und Ihren Anwendungsfällen wie Krypto-Assets zu beschäftigen - was natürlich mit Zeit und Aufwand verbunden ist.

Bitcoin: Eine technologische Innovation mit langer Geschichte

Die relativ neue Anlageklasse der Krypto-Assets bietet tatsächlich interessante Rendite-Chancen: Bitcoin hat in US-Dollar eine fast märchenhafte nominale Rendite von über 800% in den letzten fünf Jahren erzielt. Und auch technologisch ist Bitcoin hochinteressant, werden doch verschiedene Innovationen aus der Kryptografie, der Informatik und der Geldtheorie spektakulär vereint. Die Ideengeschichte ist aber weitaus älter: Bitcoin hatte lange vor der Erfindung der Blockchain prominente geistige Vordenker: schon F.A. Hayek sah das Währungsmonopol der Zentralbanken skeptisch und favorisierte bereits in den 1970er Jahren den Wettbewerb der freien, privaten Währungen – seine Thesen sind angesichts der anhaltend exzessiven Schöpfung von Giralgeld dies- und jenseits des Atlantiks wieder topaktuell.

Institutionelle Akzeptanz: Krypto in der Finanzindustrie angekommen

Nachdem man jahreslang an der Seitenlinie stand, schreitet mittlerweile die institutionelle Adoption immer schneller voran: Das «grosse Geld» hat augenscheinlich kaum noch Zweifel, selbst US-Grossbanken haben den Wert von Bitcoin und Co. erkannt. Allen voran der weltgrösste Vermögensverwalter Blackrock, welcher Spot-ETFs auf Bitcoin und Ethereum emittierte. Die Mittelzuflüsse seit Anfang 2024 sind beachtlich, augenscheinlich sind Krypto-Assets in der Finanzindustrie angekommen.

Dabei waren die Absichten des bis heute anonymen Schöpfers bzw. Kollektivs («Satoshi Nakamoto») von Bitcoin gänzlich anderer Natur: ein alternatives elektronischen Zahlungssystem für jedermann war die Vision der Macher: hartes Geld (fixe Geldmenge) welches global, einfach und sicher von Nutzer zu Nutzer («peer to peer») verschoben werden kann. Eben ganz ohne zwischengeschaltete Banken oder andere teure Intermediäre.

Selbstverwahrung oder Verwahrung durch Drittanbieter?

Überteuerte Gebühren kennen Privatanleger in der Schweiz ebenfalls: im Krypto-Space sollten interessierte Anleger immer ein Auge auf die Anlagekosten werfen. Die Finanzindustrie, zum Beispiel 21Shares oder auch VanEck bietet Krypto-Wertpapiere für Privatanleger an, ganz praktisch mit ISIN fürs heimische Depot. Das Risiko der Selbstverwahrung entfällt, jedoch möge der geneigte Investor sorgfältig die Gebühren prüfen, selbst einfache ETPs schlagen gern mit einer stolzen TER von über 1.4% zu Buche.

Daher ist die Selbstverwahrung von Krypto-Assets nach wie vor attraktiv und möglich - wenn man bereit ist die nötigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen und sich das nötige Wissen anzueignen. Hier kann ein versierter Finanzplanerseriöse Hilfestellung in einem rasant wachsenden Markt bieten.

Es geht einfach, simpel und dezentral

Dezentrale Finanzprotokolle: Neue Chancen für Anleger

Dezentrale Lösungen bei Krypto-Assets vermeiden das Gegenparteirisiko durch eine direkte Interaktion der Teilnehmer. So können Privatanleger untereinander agieren, mit einer weltweit niedrigen Eintrittsschwelle – man benötigt nur ein Smartphone, eine Wallet und eine Internetverbindung. Auch beim Kauf von Kryptos an Börsenplätzen hat man die Wahl: zentrale Anbieter wie Coinbase oder Kraken versus dezentrale Börsenplätze wie UniSwap, wo Algorithmen die Funktion der Marketmarker übernehmen, es braucht kein Orderbuch wie an einer klassischen Börse mehr. Darüber hinaus bietet die Welt der dezentralen Finanzen dank Blockchain echte Transparenz in Echtzeit: jeder kann überprüfen wie viele Gebühren ein Protokoll (Regelsystem) generiert, wie hoch das investierte Kapital derzeit ist (Total Value Locked, TVL) und wie schnell die Nutzeradoption voranschreitet – welch ein Unterschied zu diversen nebulös strukturierten Produkten («Multi-Barrier Reverse Convertible mit Knock-Out») in der klassischen Finanzwelt, wo Transparenz, Nutzen und Verständlichkeit viele Fragen aufwerfen.

Die attraktiven Renditen der Krypto-Assets werden wohl weiterhin Privatanleger in den hochvolatilen und im Vergleich wenig regulierten Krypto-Markt locken. Daher ist es essenziell das Finanzplaner seriöse Aufklärung über Chancen und Risiken bieten. Vor allem als Kontrast und Gegengewicht zu den gerade im Krypto-Space lautstarken „Finfluencern“ welche regelmässig in den sozialen Medien Ihr Unwesen treiben.

Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung sollten sich interessierte Anleger auch Gedanken über die Verwahrung und nicht zuletzt über den digitalen Nachlass machen – die schönsten Renditen nützen nichts, wenn die technisch nicht versierten Hinterbliebenen keinen Zugang zur Wallet besitzen. Aber auch auf der steuerlichen Seite ist guter Rat gefragt, die richtige und optimierte Versteuerung von Kapitalerträgen aus Staking (Token hinterlegen, zum Sicherstellen des Netzwerks), Lending (Krypto-Verleih) und Liquidity Mining (Liquiditätsbereitstellung) sollte in Zukunft zum Repertoire eines zeitgemässen Finanzplaners bzw. Treuhänders gehören.

Fazit: Die Rolle des Finanzplaners im Krypto-Markt

Aufgeklärte Kunden können dank des Internets Konditionen und Renditen gut vergleichen. Der Finanzplaner der Zukunft möge daher die Transformation vom Finanzproduktverkäufer zum ganzheitlichen denkenden Finanz-Coach vollziehen, nur dieser kann meines Ermessens versierte Kunden authentisch und frei von Interessenskonflikten auf Augenhöhe beraten. Und auch die künstliche Intelligenz wird uns das Denken über Investitionsentscheidungen nicht abnehmen, sondern im besten Fall (hoffentlich) die technischen Prozesse und die Administration verschlanken. Der Finanzcoach der Zukunft sollte das Einrichten von Wallets, die Einschätzung zu Krypto-Assets und auch den digitalen Nachlass im Beratungs-Arsenal haben. Denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

Vier Key-Takeaways für Privatanleger

  • Krypto-Assets sind, aus nüchterner finanzplanerischer Sicht, eine hochvolatile Anlageklasse mit einem kurzen Track-Record. Attraktive Renditen und Wachstumschancen stehen hohe Risiken gegenüber - das gilt grundsätzlich für alle Finanzinstrumente.

  • Aufgrund der geringen Korrelation zu klassischen Anlageinstrumenten bieten Krypto-Assets bereits jetzt in den meisten Marktphasen(!) eine Möglichkeit zur Diversifikation des Anlageportfolios.

  • Gesunde Skepsis: Vorsicht vor unseriösen Marktteilnehmern! Betrug ist leider noch regelmässig zu finden. Anleger ohne Markterfahrung sollten keine relevanten Summen im Krypto-Markt investieren.

  • Dezentrale Finanzprotokolle (DeFi) offerieren attraktive Renditen via Liquidity Mining bei mittleren Einstiegshürden. Jedoch ist Vorsicht angebracht und Erfahrung gefragt: valide Kenntnisse sind nötig, um Renditen regelmässig zu erzielen und abzusichern.

Hinweis Webinar "Besteuerung von Krypto-Assets in der Schweiz" am Dienstag. 22.10.2024 am IfFP

Uwe Scheunemann CFP® ist unabhängiger Finanzplaner und Chartered Digital Asset Analyst (CDAA®). Er hat einen Master in Business Communication, ist Absolvent des CAS Crypto Finance & Cryptocurrencies (HSLU) und Inhaber von Progressive Finance, seiner eigenen Consultingfirma mit Sitz in Zürich, sowie Referent am IfFP Institut für Finanzplanung, Zürich.

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